Expertentipp Wie man KI in der Marktforschung einsetzt und Markttrends erforscht

Prof. Claudia Fantapié Altobelli (Bildrechte / Fotograf: Ulrike Schröder)
19. Juli 2023 Autor: Redaktion MarketingScout

In einer Business-Welt, die sich immer schneller verändert, ist Marktwissen wichtiger denn je. Zwei Fragen beschäftigen die Marketing-Entscheider:innen in diesem Zusammenhang ganz besonders. Erstens die Frage, welche Methoden der Marktforschung am besten zur Erforschung und Analyse neuer Markttrends geeignet sind. Und zweitens die Frage, wie KI, also Künstliche Intelligenz wie ChatGPT, in der Marktforschung eingesetzt werden kann und künftig eingesetzt wird. Die Marktforschungs-Expertin und BWL-Professorin Claudia Fantapié Altobelli gibt interessante, konkrete Antworten.

In dynamisch-agilen Geschäftsfeldern ist aktuelles Marktwissen erfolgsentscheidend. Mit den Methoden der Marktforschung lässt sich dieses Wissen generieren. Die marketingScout.com Redaktion hat Prof. Dr. Claudia Fantapié Altobelli zwei Fragen gestellt, welche die Marketingwelt aktuell besonders bewegen. Hier sind die Fragen – und die Antworten einer Wissenschaftlerin mit dem richtigen Blick für die Praxis.

Frage 1 | marketingScout.com Redaktion*:
Frau Prof. Fantapié Altobelli, das frühzeitige Erkennen neuer Markttrends ist heute für nahezu alle Unternehmen enorm wichtig. Mit welchen Methoden der Marktforschung kann man neue Markttrends am besten vorhersagen?

Antwort | Prof. Fantapié Altobelli:

Nun, zunächst muss man erwähnen, dass Marktforschung und Trendforschung viele Gemeinsamkeiten haben, jedoch nicht dasselbe sind. Auf jeden Fall sind aber viele Methoden der Marktforschung geeignet, Inputs für die Vorhersage von Trends zu liefern.

Wenn man frühzeitig Trends erkennen möchte, so eignen sich je nach Fragestellung verschiedene Methoden der qualitativen Markt- und Sozialforschung. Dazu gehören etwa Experteninterviews einschließlich der Delphi-Methode, welche letztlich eine strukturierte schriftliche Expertenbefragung in mehreren Runden darstellt und über Feedbackrunden einen Informationsaustausch zwischen Experten beinhaltet.

Über qualitative Kundenbefragungen – sowohl als Einzel- wie auch als Gruppenbefragungen – lassen sich Consumer Insights gewinnen und neue Bedürfnisse und Verhaltensweisen der Zielgruppen feststellen.

Natürlich lassen sich neue Markttrends auch durch Auswertung von Medien erkennen, z.B. – aber nicht nur – Social Media. Gerade soziale Medien liefern über Posts, Blogs usw. wertvolle Hinweise für neue Trends bei aktuellen und potenziellen Verbrauchern. Insofern spielt Social Media Monitoring, mittlerweile auch unter Einsatz künstlicher Intelligenz, eine sehr wichtige Rolle.

Als etabliertes Verfahren der Trendforschung ist natürlich auch die Szenariotechnik zu nennen, die qualitative mit quantitativen Informationen verknüpft und unterschiedliche als möglich erachtete Zukunftsentwicklungen, also Szenarien, identifiziert.

Genauere Methoden, solche also, die eine vergleichsweise hohe Prognosegenauigkeit beinhalten, beruhen i.d.R. auf quantitativen Ansätzen. Dazu gehören die verschiedenen Verfahren der Trendextrapolation, etwa mittels Regressionsanalyse. Hierfür sind allerdings bereits vorhandene Marktdaten erforderlich oder Daten, die z.B. mithilfe von Experimenten gewonnen wurden.

Welche Methode bevorzugt angewendet werden sollte, lässt sich pauschal nicht sagen. Die Identifikation von Megatrends in der Gesellschaft erfordert beispielsweise deutlich komplexere Verfahren der Zukunftsforschung als die Ermittlung von Präferenzverschiebungen innerhalb einer bestimmten Produktkategorie.


Frage 2 | marketingScout.com Redaktion*:

Wie bewerten Sie den Nutzen von "Künstlicher Intelligenz", wie ChatGPT, für die Marktforschung aktuell und künftig?

Antwort | Prof. Fantapié Altobelli:

Diese Frage stellt sich mittlerweile jeder Markt- und Sozialforscher, und mittlerweile spielt KI in vielen Bereichen der Marktforschung eine wichtige Rolle. Ganz klar punktet KI bei der Auswertung von Big Data, welche bei Facebook, Google & Co. erzeugt werden. Dies ist im Bereich der Sekundärforschung anzusiedeln, also der Analyse bereits vorhandener Daten.

Aber auch im Bereich der Primärforschung kann KI wertvolle Unterstützung liefern. Das fängt mit Übersetzungstools wie DeepL an, welche eine schnelle Übersetzung z.B. von Fragebögen bei internationalen Studien ermöglichen. Dass das "Feintuning" nach wie vor durch Native Speakers erfolgen sollte, bleibt davon allerdings unberührt.

Bei der Datenerhebung kann KI eingesetzt werden, um klassische Aufgaben eines Interviewers zu übernehmen. Beispielsweise können Interviews durch Chatbots durchgeführt werden. Bei qualitativen Erhebungen, die große Textmengen produzieren, ist eine Spracherkennungs-Software zur Transkription von Interviewmaterial erfahrungsgemäß außerordentlich hilfreich. Sprachassistenten können anstelle von Interwiewers eingesetzt werden.

Auch Emotionen können mittlerweile erfasst werden, etwa durch Facial Coding, womit grundlegende Emotionen im Gesicht von Menschen identifiziert werden können.

Und und und… die Liste kann noch fortgeführt werden. Ein weiteres Anwendungsgebiet von KI in der Marktforschung ist natürlich die Datenanalyse. KI kann dabei unterstützen, große Datenmengen, welche etwa im Rahmen quantitativer Befragungen erzeugt werden, automatisch, schnell und effizient auszuwerten.

Wie wird es weitergehen? Ganz sicher wird KI viele "klassische" Aufgaben der Marktforschung unterstützen oder gar übernehmen, die Marktforschung als solche aber nicht ersetzen. Interpretation, Argumentation und Diskussion der Ergebnisse können zumindest nach jetzigem Stand nach wie vor nur durch ausgebildete Marktforscherinnen und Marktforscher erfolgen.

marketingScout.com Redaktion*:
Frau Prof. Fantapié Altobelli, ganz herzlichen Dank für die konkreten Antworten.

*Die Fragen stellte Monika Monzel, Marketingstrategin, Knowledge Creator, Editor-in-Chief / marketingScout.com, E: redaktion@marketingScout.com

Über Prof. Dr. Claudia Fantapié Altobelli  
Claudia Fantapié Altobelli ist Professorin für Betriebswirtschaftslehre und Marketing an der Helmut-Schmidt-Universität / Universität der Bundeswehr in Hamburg, wo sie seit 1995 lehrt. Die Schwerpunkte ihrer Forschungs- und Lehrtätigkeit liegen in den Bereichen Marketingforschung, internationales Marketing, Medien und Werbung. Ihr derzeitiger Forschungsschwerpunkt ist die Marketingforschung mit dem Fokus auf Consumer Neuroscience.

Im Juni 2023 ist die vierte Auflage des Buches "Marktforschung: Methoden – Anwendungen – Praxisbeispiele" (ISBN-13: 978-3825288167) erschienen. In dem Buch erklärt Prof. Fantapié Altobelli praxisnah, mit vielen Beispielen, die verschiedenen Möglichkeiten, neues Marktwissen zu generieren: Quantitative und qualitative Befragungen, Beobachtung, Panelforschung, experimentelle Designs. Ganz neu ist das Kapitel zum Thema Shopper Research.

Titelbild: Prof. Dr. Claudia Fantapié Altobelli (Bildrechte / Fotograf: Ulrike Schröder) | Autorin des Buches: Marktforschung: Methoden – Anwendungen – Praxisbeispiele" (ISBN-13: 978-3825288167), 4. Auflage, erschienen im Juni 2023.

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