Lesestoff Was bessere Insights im Marketing und die 4-Tage-Woche gemeinsam haben

Collage zu den beiden Lesetipps auf marketingScout.com, KW 37, 2023. Bild rechts: Buch-Cover "Any Insights Yet ", Bild links: Buch-Cover "Wundermittel 4-Tage-Woche"
16. September 2023 Autor: Redaktion MarketingScout

In Deutschland gibt es neben den Dauerbrennern "Klimaschutz", "veganes Essen" und "Mobilität", ein besonders brisantes Gesellschaftsthema, das die Geister scheidet: Die 4-Tage-Woche. Gerade ist die Gewerkschaft IG Metall bei ihren Forderungen zurückgerudert. Die Verkürzung der Arbeitszeit als Rezept u.a. gegen den Fachkräftemangel und sinkende Attraktivität bestimmter Berufsgruppen steht jedoch weiterhin zur Diskussion, auch im Marketing- und Agentur-Business. Daher kommen zwei neue Bücher der marketingScout.com Redaktion als Rezensionsexemplare gerade recht. Eines greift das Thema frontal auf, das andere kann man perfekt mit der Thematik verknüpfen. Beide Bücher sind lesenswert. Hier ist der Stoff für kreative Köpfe im Marketing sowie Manager:innen und Zukunftsgestaltende in allen Wirtschaftsbereichen.

Fangen wir mit dem Thema Vier-Tage-Woche und dem Buch "Wundermittel 4-Tage-Woche?", das jetzt im Haufe Verlag erschienen ist, an. Zunächst stellt der Autor richtigerweise fest, dass für viele Beschäftigte die Senkung der Arbeitszeit von 40 auf 32 Stunden bei vollem Lohnausgleich eine durchaus erstrebenswerte Sache ist. Er wirft jedoch gleichzeitig die (nicht rhetorische) Frage auf, ob eine generelle Einführung der 4-Tage-Woche überhaupt umsetzbar sei. Das Buch von Guido Zander, CEO der Beratungsgesellschaft SSZ und anerkannter Arbeitszeitexperte, analysiert das Thema aus einer wohltuend nüchternen 360-Grad-Perspektive. Es beleuchtet die Vorteile und Nachteile von allen Seiten, und zeigt dabei auch, dass es nicht "das" eine Modell der 4-Tage-Woche gibt.

Cawa Younosi, Global Head of People Experience bei SAP, hebt diesen Aspekt des Buches besonders hervor und sagt (Zitat aus dem Buch): "Dieses Buch ist ein wichtiger Beitrag zur öffentlichen Debatte um die 4-Tage-Woche, weil es die Studienlage neutral bewertet und mehr Substanz und auch alternative Konzepte in die Diskussion einbringt."

In dem 130-seitigen Buch erläutert Guido Zander die verschiedenen Ausprägungen einer 4-Tage-Woche und zeigt, wie diese gestaltet werden können und welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit die Konzepte gelingen. Ergebnisse von Studien aus verschiedenen Branchen und anderen Ländern werden mit einem neutralen Blick betrachtet und auch Alternativ-Ansätze, wie eine gut gestaltete Arbeitszeit-Flexibilisierung (statt einem starren 4-Tage-Korsett), thematisiert. Seine objektive Sicht auf die Thematik ergänzt der Autor durch seine persönlichen Einschätzungen als Arbeitszeit-Experte.

Ohne zu viel aus dem neuen Buch zu spoilern, hier ein Fazit von Guido Zander vorweg: Der Autor hält eine "pauschale Verordnung" der 4-Tage-Woche für den falschen Weg. Die Auswirkungen der 4-Tage-Woche seien zu stark von der Branche, dem jeweiligen Unternehmen und den individuellen Umständen abhängig. Während einige Unternehmen von einer 4-Tage-Woche definitiv profitieren können, würden andere Unternehmen, und damit auch deren Beschäftigte, durch eine pauschal verordnete 4-Tage-Woche durchaus in Schwierigkeiten kommen.

Eine Haltung, die auch die Redaktion als klug, erwachsen und lebensnah empfindet. Braucht man wirklich eine restriktive, flächendeckende Vereinheitlichung? Warum (d.h. auf Basis welcher relevanten "Insights") geht man mancherorts in der Politik, in den Medien und in der Gesellschaft davon aus, das Unternehmen – und auch deren Mitarbeitende – zu starren Arbeitszeitmodellen "gezwungen" werden müssen? Ganz einfach: Weil offensichtlich echte Insights fehlen.

Damit kommen wir zum zweiten Lesetipp, einer Neuerscheinung aus den USA mit dem Titel "Any Insights Yet?". In diesem englischsprachigen Buch von Chris Kocek geht es um die Kunst, "echte" Insights zu gewinnen, um die richtigen (Marken-) Entscheidungen zu treffen. Die Gewinnung von Insights (und deren korrekte Nutzung) ist eine Kunst, die nicht nur im Marketing essenziell für Akzeptanz, Erfolg und Begeisterung ist. Und wer sich jetzt fragt, was diese "Insights" denn eigentlich sind, hier eine wichtige Kerninformation aus dem Buch vorweg: Echte Insights sind keine (!) Umfrage-Ergebnisse, wie oft geglaubt, zumindest nicht in der alleinigen Betrachtung. Sie sind vielmehr eine Zusammenführung mehrerer Wissens- und Erfahrungs-Komponenten, die in dem Buch sehr gut erläutert werden.

Chris Kocek hat als CEO der Agentur Gallant Branding in den letzten 10 Jahren zahlreichen Unternehmen bei der Neugestaltung ihrer Marken, der Einführung neuer Produkte sowie datenbasierten Kampagnen geholfen. Dabei nutzten ihm seine Erfahrungen als erfolgreicher strategischer Planer bei BBDO New York sowie bei GSD&M, wo er bekannte Kampagnen für ikonische Marken wie Monster.com, Lowe’s, Hyatt Hotels, Ace Hardware oder John Deere entwickelt hat.

In seinem Buch greift Chris Kocek, genau die Frage auf, die immer zu Beginn eines Kreativprozesses gestellt werden sollte: Gibt es relevante Insights? Keine Produktentwicklung, keine Markenstrategie, keine Kampagne kann ohne echte Insights nachhaltig erfolgreich sein. Kreativität ist wichtig, aber sie muss stets auf echten Insights basieren.

In seinem Buch legt Chris Kocek zunächst die Finger in die Wunde und erklärt, warum echte Insights als Grundlage für die Marketing- und Kampagnenplanung immer noch eher die Ausnahme sind und auch, was "echte" Insights eigentlich sind. Dann kommt er natürlich zum Punkt und erläutert, wie man sein Team schneller zu den richtigen Erkenntnissen führt. Ferner identifiziert er "langweilige" (nicht zielführende) Fragen, die man in einem Kreativmeeting zur "Insights-Gewinnung" nicht mehr stellen sollte. Und selbstverständlich erklärt er auch, welche Fragen besser geeignet sind.

Die Lektüre des Buches, ferner die Anwendung der hier erläuterten Techniken kann Kreativ-Teams tatsächlich schneller zu besseren Ergebnissen führen, somit zahlreiche Korrekturschleifen sparen und mit weniger Zeiteinsatz den gleichen (oder einen besseren) Output erzielen – womit die in der Headline angekündigte Verbindung zum Thema Arbeitszeitverkürzung (z.B. "4-Tage-Woche") hergestellt ist.

Fazit der Redaktion:
Grundsätzlich muss sich in einer wettbewerbsintensiven Welt jeder Wirtschaftende überlegen, wie Prozesse effizienter gestaltet werden können, damit mehr Work-Life-Balance, die grundsätzlich jedem arbeitenden Menschen gegönnt ist, möglich wird. Die einfache Verkürzung von Arbeitszeiten ohne entsprechende effizienzsteigernde Maßnahmen kann kaum gelingen, zumindest nicht, wenn Wettbewerber anders agieren. Schon heute ist z.B. in der Agenturbranche eine Entwicklung erkennbar, die nachdenklich stimmt: Immer mehr Unternehmen verlagern originäre Agenturaufgaben nach innen, auf ihr eigenes Marketingteam oder eigens gegründete Inhouse-Agenturen. Die genannten Gründe sind stets die gleichen: Schnellere Abstimmungsprozesse, kurze Reaktionszeiten, bessere Erreichbarkeit (Kommunikation), Kosteneffizienz. Gerade Agenturen sollten sich deshalb gut überlegen, ob (und wie) sie bei kürzeren Arbeitszeiten die schnelle und unkomplizierte Kommunikation zwischen Agentur und Kunde aufrecht erhalten können und wie sie ggf. durch ganz neue Arbeits(zeit)modelle alle Seiten zu Gewinnern machen – die Mitarbeitenden, die Kunden und natürlich auch die Agentur selbst, die letztlich profitabel arbeiten muss, um langfristig ein attraktiver Arbeitgeber zu bleiben.

Zudem muss man sich darüber bewusst sein, welche psychologische Wirkung die undifferenziert geführte, öffentliche Diskussion um immer kürzere Arbeitszeiten und immer neue extrinsische Belohnungen, die dann ggf. doch nicht geliefert werden können, hat. Wie zufrieden ist jemand, dem die 4-Tage-Woche zum Greifen nahe erschien und der sich jetzt weiter mit der 5-Tage-Woche arrangieren muss? Die Enttäuschung über die entgangene "extrinisische" Motivation lässt die (viel wertvollere und i.d.R. auch stabilere) "intrinische" Motivation gegen den Nullpunkt sinken. Ob dies für die Gesellschaft, Wirtschaft und auch für den einzelnen Betroffenen eine gute Sache ist, mag jeder für sich selbst beantworten. (mm)

Das Buch "Wundermittel 4-Tage-Woche?" gibt es als gedruckte Version und digital, u.a. direkt im Haufe Shop. Das Buch "Any Insights Yet?" gibt es ebenfalls in der Print-Version und als eBook. Beide Versionen sind u.a. erhältlich bei Amazon.

Titelbild: Collage der Buch-Cover zu den beiden Lesetipps, marketingScout.com, KW 37, 2023. Bild rechts: Cover "Any Insights Yet?", Autor: Chris Kocek, Bild links: Cover "Wundermittel 4-Tage-Woche?", Autor: Guido Zander.

Collage zu den beiden Lesetipps auf marketingScout.com, KW 37, 2023. Bild rechts: Buch-Cover "Any Insights Yet ", Bild links: Buch-Cover "Wundermittel 4-Tage-Woche"
Collage zu den beiden Lesetipps auf marketingScout.com, KW 37, 2023. Bild rechts: Buch-Cover "Any Insights Yet?", Bild links: Buch-Cover "Wundermittel 4-Tage-Woche?"

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