Erfolgsfaktor Kundenzentrierung Was B2B Unternehmen von ihren Kunden lernen können

15. Juni 2022 Autor: Redaktion MarketingScout

Obwohl einer Studie von Gebhardt & Partner zufolge 89 Prozent der befragten B2B-Unternehmen davon ausgehen, dass sie in Zukunft primär über ihre Customer Experience miteinander konkurrieren, bescheinigen sich gerade mal 22 Prozent der Unternehmen selbst einen hohen Reifegrad bei der Kundenzentrierung in ihren Geschäftsprozessen und speziell auch im B2B Marketing.

Steffen Danzmann, Senior Manager bei PwC Deutschland und Experte für Sales & Digital Commerce, nimmt dies zum Anlass, in dem folgenden Gastbeitrag einen genauen Blick auf die Ansatzpunkte für mehr Kundenzentrierung im B2B-Marketing zu werfen. Obwohl sich die fundamentalen Prinzipien der Kundenzentrierung aus dem B2C-Geschäft über weite Teile auch auf den B2B-Sektor übertragen lassen, gibt es einige grundlegende Unterschiede zwischen den Märkten, die bei der Ausgestaltung einer B2B-Customer-Journey berücksichtigt werden müssen:

1. Der Umsatz pro Kunde (Average Revenue Per User, kurz ARPU) ist im B2B-Geschäft deutlich höher als im Endkonsumentenmarkt. Allein das ist bereits ein guter Grund dafür, dass man es Abnehmern im Sinne der Kundenzentrierung so einfach wie möglich machen sollte.

2. Transaktionen drehen sich oft um deutlich weniger standardisierte Produkte und Dienstleistungen, als man es vom B2C-Markt gewohnt ist. Damit gehen wiederum komplexe Anforderungen und hohe Ansprüche auf Seiten der Kunden einher. Gerade bei technischen Produkten wie zum Beispiel Maschinenteilen oder Komponenten für IT-Infrastrukturen endet die Customer Journey nicht mit der Auslieferung, sondern führt über Stationen wie Beratung, Individualisierung und Integration weit über die eigentliche Transaktion hinaus. All diese Faktoren erhöhen zugleich den Druck auf die B2B-Einkaufsabteilungen, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Laut einer Untersuchung von Forrester glauben viele Einkäufer, dass schlechte Beschaffungsentscheidungen deutlich stärker auf sie persönlich zurückfallen als strategisch gute Entschlüsse. Dieses Gefälle zwischen Chancen und Risiken hat laut den Marktforschern zur Folge, dass die Entscheidungsfindung bei B2B-Kunden oft sehr defensiv ausfällt. Hier sei es also an den Unternehmen, maximal vertrauenswürdige Beziehungen zu ihren Kunden aufzubauen.

Die Defizite hinsichtlich der Kundenzentrierung liegen oft in den individuellen Geschäftsmodellen und Marketing-Prozessen der Unternehmen begründet. Diese sind in vielen Fällen stark produktzentriert, sodass die Ausrichtung der Unternehmensprozesse nicht auf die Bedürfnisse der Kunden, sondern auf den Vertrieb von Erzeugnissen und Dienstleistung ausgerichtet sind. Ob das angebotene Bezugsmodell, also zum Beispiel der klassische Abverkauf von Produkten, überhaupt den Kundenbedürfnissen entspricht, spielt dabei oft gar keine Rolle. Erstrecken sich solche blinden Flecken auf weitere Kontaktpunkte in der Customer Journey, steigt bei den Kunden der Frust.

Vor allem veraltete und analoge Prozesse an der Schnittstelle zu den Kunden, beeinträchtigen eine positive Customer Experience. Wer für Produktinformationen, Bestellungen oder Reklamationen zum Telefon oder gar zum Faxgerät greifen muss, fühlt sich in der Regel nicht gut betreut. Online-Angebote schaffen hier nur Abhilfe, wenn sie die anspruchsvollen Anforderungen der Kunden erfüllen.

Einer Studie des ECC Köln und Intellishop zufolge legen B2B-Unternehmen bei der Online-Beschaffung komplexer Produkte besonders viel Wert auf detaillierte Produktinfos, zügige Bestellvorgänge und schnelle Lieferungen –keine Selbstverständlichkeit im B2B-Umfeld.  Hinzu kommt, dass viele dieser Punkte dem weit verbreiteten Missverständnis geschuldet sind, dass die Kundenzentrierung eine Sache der Serviceabteilungen sei. Die Folge: Es fehlt eine ganzheitliche Verankerung der Philosophie in sämtlichen Abteilungen und Prozessen. Das beginnt bereits im Marketing: Ohne kundenzentrierte, personalisierte und datengetriebene Prozesse werden die entscheidenden Botschaften nie die richtigen Zielgruppen erreichen. 

Der detaillierte Blick auf den Nachholbedarf im B2B-Sektor liefert wertvolle Hinweise für den richtigen Weg bei der kundenzentrierten Transformation im B2B Marketing. Die Anforderungen der B2B-Kunden zeigen, dass der Aufbau von digitalen Plattformen, Schnittstellen und Apps für die Kundenanbindung essenziell ist. Nur so lassen sich Bedürfnisse wie detaillierte Produktinformationen, schnelle Bestellvorgänge oder zügige Lieferungen an allen Touchpoints der Customer Journey zuverlässig abbilden.

Dabei sollten Unternehmen über Onlineshops hinaus und auch externe Händlerplattformen oder den Anschluss an digitale Beschaffungslösungen mitdenken. Laut einer Studie von Creditreform und ibi research nutzen bereits 21 Prozent der Unternehmen dezidierte B2B-Marktplätze als Absatzkanal und immerhin 13 Prozent wickeln ihre Geschäfte über digitale E-Procurement-Systeme ab. Diese Öffnung des eigenen Ökosystems ist für die Kundenzentrierung von großer Bedeutung, da Customer Journeys im Zuge der Digitalisierung immer individueller werden. Nur so gewährleisten Unternehmen, dass alle Kunden den für sie effizientesten Kanal für die Geschäftsabwicklung nutzen können. Ein weiterer Vorteil: Sämtliche Vorgänge und Kundendaten können an den digitalen Schnittstellen zentralisiert erfasst und ausgewertet werden. Damit sind auch die Marketingabteilungen in der Lage, die Bedürfnisse der Kunden besser zu antizipieren und genauso zu adressieren, dass echter Mehrwert entsteht.

Bei allen Hebeln für die Optimierung darf in der Gesamtbetrachtung nicht vergessen werden, dass das Geschäftsmodell in jedem Unternehmen den Kern der Kundenzentrierung darstellt. Auf diesem Fundament bauen alle weiteren Maßnahmen auf. Um hier die richtigen Grundvoraussetzungen zu schaffen, ist es wichtig, die richtigen Fragen zu stellen: Auf welche Probleme könnten meine Kunden in Zukunft stoßen? Welcher Bedarf geht damit einher? Wie kann dieser Bedarf ideal gedeckt werden? Der klassische Produktvertrieb ist immer seltener die richtige Antwort. Der Markt zeigt, dass flexible und bedarfsorientierte Service-Modelle am ehesten den Erwartungen der Kunden entsprechen. Das ist ein Grund dafür, warum auch immer häufiger komplexe B2B-Produkte wie Maschinen, Werkzeuge oder IT-Hardware über flexible Abonnement- und Leasing-Verträge gehandelt werden. Viele Unternehmen wollen in diesen volatilen und krisengeplagten Zeiten keine Investitionen mehr tätigen, die sich erst in Dekaden auszahlen. Es gilt flexibel, resilient und anpassungsfähig zu bleiben – dafür braucht es Geschäftsbeziehungen, die auf einem tiefgreifenden, gegenseitigen Verständnis beruhen.

Titelbild: Steffen Danzmann, Senior Manager bei PwC Deutschland und Experte für Sales & Digital Commerce (Copyrights: PwC Deutschland)

Verwandte Themen:
Customer Centricity, Kundenzentrierung, Kundenorientierung, Kundenservice, Serviceoptimierung, Service, Customer Journey, Kundenbedürfnisse, B2B Marketing, B2B-Marketing-Trends, Marketing Best Practices, digitale Transformation, kundenzentrierte Transformation

Keinen Marketing-Trend mehr verpassen? marketingScout Newsletter

Anzeige EventMasterBook.de