Die Pharma-Branche erfreut sich "Dank" Corona-Pandemie satter Umsätze und Gewinne, ist jedoch einem scharfen Wettbewerb ausgesetzt. Ein Schweizer Pharma-Unternehmen wurde nun von einem Konkurrenz-Unternehmen verklagt, wegen negativer Gerüchte und Verunglimpfung, wie berichtet wird. Doch welche Anhaltspunkte reichen aus für einen Tatbestand des "unlauteren Wettbewerbs" und welche Rechtsfolgen ergeben sich hieraus? Die Rechtsexperten Sebastian Cornelius Retter sowie Julia Kleinschmidt, beide tätig für die internationale Kanzlei Mazars, liefern interessantes Hintergrundwissen.
Der Arzneimittelmarkt ist hart umkämpft und pharmazeutische Unternehmer stehen immer wieder im Fokus der Wettbewerbsbehörden. Brandaktuell ist ein Verfahren der Europäischen Kommission gegen eine Schweizer Pharma Firma, die im Verdacht steht, das Produkt eines dänischen Konkurrenten verunglimpft zu haben. Hier greifen verschiedene rechtliche Regelungen, die im Folgenden beschrieben sind. Aufgrund strenger Regulierung gibt es besonders beim Pharma-Marketing einiges zu beachten.
Lauterkeitsrecht / Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb
Das Lauterkeitsrecht schützt den Leistungswettbewerb zwischen Konkurrenten. In Deutschland erklärt das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb – ganz allgemein – unlautere geschäftliche Handlungen für unzulässig. Daneben werden in einer sogenannten "Schwarzen Liste" diejenigen Verhaltensweisen aufgezählt, die in jedem Fall wettbewerbswidrig sind. Hierzu zählen beispielsweise unwahre Angaben, eine Ware oder Dienstleistung könne Krankheiten heilen. Oder verdeckte Werbung in Online-Suchergebnissen. Oder als Information getarnte Werbung. Ist eine Verhaltensweise nicht in der Schwarzen Liste aufgeführt, muss deren Zulässigkeit an der Generalklausel oder einigen Spezialregelungen gemessen werden. Unzulässig sind z.B. die gezielte Behinderung eines Mitbewerbers oder das Herabsetzen oder Verunglimpfen von dessen Waren. Letzteres wird dem o.g. Schweizer Pharmaunternehmen vorgeworfen.
Ein Verstoß gegen das Lauterkeitsrecht, geltend gemacht regelmäßig in Form einer Abmahnung oder im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens, meist in Form einer einstweiligen Verfügung eines Konkurrenten, eines qualifizierten Wirtschaftsverbandes oder einer berufsständischen Körperschaft, kann nicht nur zu Unterlassungsansprüchen, sondern auch zu Auskunfts- und Schadensersatzansprüchen einschließlich der Möglichkeit der Abschöpfung des durch die unlautere Handlung erzielten Gewinns führen.
FSA-Kodex
Neben den gesetzlichen Regelungen greift auch der FSA Kodex. Die Mitgliedsunternehmen der Freiwilligen Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e.V. (FSA) haben sich einem Verhaltenskodex unterworfen. Auch danach darf vergleichende Werbung nicht irreführend sein und das Arzneimittel eines Mitbewerbers nicht herabgesetzt oder verunglimpft werden. Der "FSA-Kodex Fachkreise" ist für die derzeit 55 Mitgliedsunternehmen verbindlich und Verstöße können durch die FSA-Schiedsstelle mit Geldstrafen bis 400.000 € und öffentlichen Rügen geahndet werden. Auch das o.g. Schweizer Pharma Unternehmen ist Mitglied des FSA.
Heilmittelwerbegesetz
Im Zusammenhang speziell mit der Bewerbung von Arzneimitteln sind auch unbedingt die Vorschriften des Heilmittelwerbegesetzes zu beachten. Streng zu vermeiden sind irreführende Angaben über ein Arzneimittel, beispielsweise Behauptungen über eine nicht belegte Wirkung oder Wirksamkeit sowie Erfolgsversprechen. Auch muss jede Werbung für ein Arzneimittel bestimmte Pflichtangaben wie Zusammensetzung, Anwendungsgebiete und Nebenwirkungen enthalten. Überhaupt darf für verschreibungspflichtige Arzneimittel nur gegenüber Fachkreisangehörigen wie (Zahn-)Ärzten und Apothekern geworben werden, d.h. die sogenannte Publikumswerbung ist verboten. Ein Verstoß gegen eine Vorschrift des Heilmittelwerbegesetzes stellt in der Regel einen Verstoß gegen das Lauterkeitsrecht dar und ist damit wettbewerbswidrig. Bei irreführender Werbung können Bußgelder bis 20.000 €, bei sonstigen Verstößen sogar bis 50.000 € verhängt werden.
Kartellrecht / Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
Auch das Kartellrecht verfolgt wie das eingangs erwähnte Lauterkeitsrecht den Zweck, den Wettbewerb vor Verfälschungen zu schützen und damit den fairen Wettbewerb aufrechtzuerhalten. Untersagt sind durch das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen die Bildung von Kartellen und sonstigen wettbewerbsbeschränkenden Zusammenschlüssen. Ferner dürfen marktbeherrschende oder marktstarke Unternehmen ihre Stellung nicht missbrauchen. Ein Missbrauch liegt beispielsweise vor, wenn das marktbeherrschende Unternehmen ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar unbillig behindert. Eine solche Behinderung wird angenommen, wenn die Wettbewerbschancen eines Konkurrenten beeinträchtigt werden, beispielsweise indem ein Konkurrenzprodukt diffamiert wird. Stellt das Bundeskartellamt einen Verstoß gegen das Missbrauchsverbot fest, kann ein empfindliches Bußgeld – bei vorsätzlichen Verstößen bis zu 10 % des Gesamtumsatzes des Unternehmens – verhängt werden. Das durch den Missbrauch geschädigte Unternehmen kann zudem Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche geltend machen.
Europäische Kommission
Vermag der Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen – was im Arzneimittelsektor häufig anzunehmen ist – ist zudem die Europäische Kommission auf Beschwerde hin oder von Amts wegen befugt, ein förmliches Prüfverfahren gegen das Pharmaunternehmen einzuleiten. Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union verbietet die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung. Im Verfahren gegen das o.g. Unternehmen prüft die Europäische Kommission derzeit einen Verstoß gegen diese Vorschrift, nachdem der dänische Konkurrent nach jahrelangen bilateralen Auseinandersetzungen mit dem Schweizer Pharmakonzern eine Beschwerde eingereicht hatte, weil er durch das Verhalten des Konkurrenten den Wettbewerb mit seinem Eisenpräparat behindert sieht. Es steht der Vorwurf im Raum, dass das Schweizer Unternehmen in einer Kommunikationskampagne gegenüber Angehörigen der Gesundheitsberufe irreführende Informationen über die Sicherheit des dänischen Produkts verbreitet hat.
Ein Ausblick
Die Prüfverfahren der Europäischen Kommission sind lang, auch weil es für deren Abschluss keine verbindliche Frist gibt. Bei dem beschriebenen Fall handelt sich erst um das zweite Verfahren seiner Art im Arzneimittelbereich. Ein im März 2021 eingeleitetes ähnliches Verfahren gegen ein deutsches Pharmaunternehmen ist bis heute nicht abgeschlossen. In dem vorliegenden Fall ist ebenfalls ein langwieriges Verfahren zu erwarten. Doch bereits die Einleitung des Verfahrens dürfte erhebliche Auswirkungen haben. Bestätigt sich der Verdacht, droht dem Schweizer Pharma Unternehmen u.a. eine Geldbuße von bis zu 10 % des Jahresumsatzes.
Titelbild:
(li) Rechtsanwältin Julia Kleinschmidt, (re) Rechtsanwalt Sebastian Cornelius Retter, beide tätig für Mazars (www.mazars.de). Mazars ist ein internationales Unternehmen, das auf Wirtschaftsprüfung, Steuern und Recht sowie Accounting, Financial Advisory und Consulting spezialisiert ist.
Über die Rechtsexperten:
Rechtsanwalt Sebastian Cornelius Retter ist seit Oktober 2020 Salary Partner bei Mazars und verantwortet hier den Bereich Medical Devices & Digital Health. Dabei berät er zusammen mit seinem Team vor allem Hersteller und Professionals aus dem Bereich Health Care, ferner Universitäten, Kliniken, Verbände, Ministerien, Behörden und Beratungsunternehmen. Ein Schwerpunkt seiner Beratungstätigkeit bildet der Market Access für Hersteller von Medizinprodukten und In-vitro Diagnostika.
Rechtsanwältin Julia Kleinschmidt ist seit 2020 Senior Associate bei Mazars in Deutschland. Als Spezialistin im Bereich Medical Devices und Digital Health berät sie neben Herstellern von Medizinprodukten auch Leistungserbringer im Gesundheitswesen wie Universitäten, Kliniken und Ärzte. Zu den Schwerpunkten ihrer Beratungstätigkeit zählen neben dem Market Access von Herstellern von Medizinprodukten das Kostenerstattungsrecht und Health Care Compliance.
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