In puncto Gen Z Marketing, speziell in den digitalen und sozialen Medien, stehen bei den meisten Marketing-Verantwortlichen TikTok und Instagram im Fokus. Die Streaming-Plattform Twitch bekommt vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit, obwohl gerade Live-Streaming-Content die User extrem fesseln kann. Digital Evangelist Marian Langer und Projektmanager Daniel Kowalski, Intermate Group, erklären, warum Twitch so viele ungenutzte Potenziale birgt und wie man als Unternehmen hier am besten agiert.
Laut Marian Langer und Daniel Kowalski, beide beschäftigt bei der Intermate Group, galt Twitch lange Zeit als reine Gaming- und E-Sports-Plattform. In den letzten drei Jahren gab es jedoch einen signifikanten Wachstumsschub, Twitch wurde zur Mainstream-Plattform. Durch die unterschiedlichen Interaktionsmöglichkeiten, wie Reactions, Shows oder "Just Chatting", ist Twitch aus der Gaming-Ecke hervorgetreten und für das Marketing breitflächiger nutzbar.
Die Zielgruppen-Erweiterung bei Twitch liegt unter anderem darin begründet, dass die Corona-Zeit mit einer starken Veränderung der Social Media Nutzung einherging. Viele Aktivitäten verlagerten sich ins Internet, zahlreiche Nutzer:innen sind auf Twitch aufmerksam geworden: Klassische Influencer:innen, Profisportler:innen, popkulturelle Persönlichkeiten wie Musiker:innen, Schauspieler:innen und auch Menschen aus Politik und Wirtschaft gehören inzwischen zu den Usern bzw. Streamern.
Die Nutzerzahlen der Generation Z auf Twitch sind laut Marian Langer und Daniel Kowalski ideale Voraussetzungen für eine zielgerichtete Ansprache der jüngeren Zielgruppe. Im Juni 2023 gehörten 36 Prozent der Twitch Nutzer:innen der Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen an. Ein Grund kann darin liegen, dass durch den Livestream-Chat eine 1:1-Interaktion mit der streamenden Person möglich ist, wodurch sich die Nutzer:innen mehr gehört und involviert fühlen als auf anderen Plattformen.
Die Vielfalt der Nutzer:innen, gepaart mit Möglichkeiten der Interaktion, haben zudem zu einem starken Anstieg der Verweildauer auf der Plattform geführt: Allein im Juni dieses Jahres konnte Twitch 1,75 Milliarden Zuschauerstunden verzeichnen. Twitch wird demnach eher wie eine Art TV-Ersatz konsumiert, ganz entgegen dem eigentlich Short Video Trend auf anderen Plattformen und der immer kürzer werdenden Aufmerksamkeitsspanne der Gen Z.
Auf Twitch sieht man, dass sich die User:innen intensiver mit dem Content auseinandersetzen und Twitch somit ein hohes Potenzial für kreatives Storytelling birgt, das die Nutzer:innen berührt und zum Dranbleiben animiert. Twitch ist somit eine gute Ergänzung zu den eher kurzlebigen Kontakten auf TikTok oder Instagram.
Was aber müssen die Marken-Verantwortlichen beachten, um auf Twitch erfolgreich zu sein? Marian Langer und Daniel Kowalski geben folgende Antwort:
Die Marketingverantwortlichen sollten sich zunächst die Merkmale der Plattform bewusst machen: Auf Twitch lebt die Interaktion mit der Community vor allem davon, dass Nutzer:innen im Live-Chat sehr direktes und ehrliches Feedback geben können. Aus diesem Grund sollten Marken mit Bedacht und Strategie auftreten. Es empfiehlt sich, in Kooperation mit erfahrenen oder etablierten Streamer:innen auf der Plattform zu agieren, und zwar da, wo der Creator Content zur Marke passt.
Die Unternehmen sollten zudem mit einem langfristigen Ansatz arbeiten und die Creator:innen in den kreativen Prozess einbinden; zudem sollten sie sich inhaltlich mit der Community und dem jeweiligen Stream befassen. Nur so kann verhindert werden, dass die Marke wie ein Fremdkörper im Stream erscheint und so gegebenenfalls negative Reaktionen entstehen.
Für eine langfristig erfolgreiche Präsenz auf Twitch ist es empfehlenswert, keine einmalige Kampagne mit 20 Influencer:innen für einen kurzfristigen Sales-Push aufzusetzen, sondern mit selektierten Creator:innen eine echte, verbindliche und dauerhafte Partnerschaft einzugehen.
Marken und Creator:innen sollten ferner gemeinsam evaluieren, wo und in welcher Art und Weise eine Zusammenarbeit beim Streaming erfolgen kann. Der richtige Zeitpunkt lässt sich z. B. finden, indem Marken sich mit den Routinen ihrer Creator:innen in der Content-Erstellung vertraut machen und sich entsprechend “gleichschalten”. Diese Blaupausen können z. B. bestimmte Spiele oder Trivia-Quizze sein, die in regelmäßigen Abständen auf dem Kanal gespielt werden. Auch wiederkehrende Themen, die Creator:innen regelmäßig zur Sprache bringen, können integriert werden. Auf diese Weise wirkt die Zusammenarbeit authentisch, wovon beide Seiten stark profitieren, da die empfundene Glaubwürdigkeit im besten Fall zu positiven Interaktionen im Live-Chat führt.
Es lohnt sich auch stets, "out of the box" zu denken und sich gemeinsam mit Streamer:innen neue Ansätze zu überlegen, um für ein einzigartiges Zusammenkommen zwischen Brand und Creator:in zu sorgen. Um ein Beispiel zu nennen: Ein Team der Intermate Group hat zuletzt ein Projekt mit einem Kunden aus dem FMCG-Bereich realisiert, in dem der Waiting Room vor dem Stream zur Brand-Welt umgebaut wurde. Dieser wurde mit innovativen Funktionen angereichert, in dem durch Chatbefehle mit dem digitalen Waiting Room interagiert werden konnte.
Ein weiterer Aspekt der Zusammenarbeit ist die gemeinsame Festlegung realistischer KPIs (Key Performance Indicators) zur Erfolgsmessung. Das können z. B. die sogenannten Average Concurrent Viewers sein, also die durchschnittliche Anzahl gleichzeitiger Zuschauer:innen.
Und: Stream-Overlays, die von Drittprogrammen in die Streams integriert werden und die als grafisch gestaltete Rahmen über Webcam-Bilder und Live-Streamings gelegt werden können, sollten stets auf Kompatibilität geprüft werden.
Auch über inhaltliche Aspekte der Kooperation, wie z. B. Gewinnspiele, sollte im Vorfeld immer Einigkeit herrschen. Denn live gibt es schließlich keinen zweiten Anlauf, so Marian Langer und Daniel Kowalski.
Letztlich dürfen alle Beteiligten nicht vergessen, dass Live-Entertainment trotz aller Vorbereitung nicht immer perfekt sein kann. Ein sympathischer Umgang mit Versprechern kann durchaus zu Sympathiewerten in der Community führen und in ein positives Image der Marke umgemünzt werden. Hierbei ist es extrem wichtig, dass die Unternehmen den Streamer:innen ein gewisses Maß an Vertrauen entgegenbringen.
Marian Langer und Daniel Kowalski ziehen folgendes Fazit:
"Die dynamische Welt von Twitch bietet Marken eine einzigartige Chance, ihre Reichweite zu vergrößern und eine authentische, innovative Möglichkeit, die Marke stärker mit ihrer Zielgruppe zu verbinden. Mit stetig wachsenden Userzahlen und Nutzer:innen, die nach authentischen Streaming-Erlebnissen suchen, bietet Twitch enormes Potenzial für innovative Marketingstrategien. Es wird spannend bleiben, welche Marken das unterschätzte Potential der Plattform erkennen und dieses für sich nutzen werden."
Titelbild: Portraits von Marian Langer (li) und Daniel Kowalski (re), Intermate Group
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