Mit schnellen Lieferungen innerhalb von 30 Minuten können sich Handelsunternehmen ab sofort einen neuen Wettbewerbsvorteil schaffen. Das Marktpotenzial im Lebensmittelhandel liegt aktuell geschätzt bei ca. 2 Prozent (etwa 13 Milliarden EUR) bis 2030. Thorsten de Boer, Partner bei der Unternehmensberatung Roland Berger, sieht im Quick Commerce jedoch viel mehr als nur ein neues Service-Niveau, sondern ein völlig neues Geschäftsmodell.
Das Interesse der Konsumenten an zügigen Lieferungen von Alltagsprodukten über Quick-Commerce-Dienste ist aktuell sehr hoch, Tendenz steigend. Insbesondere Einkäufe in den Kategorien Pharmazeutika, Lebensmittel oder Drogerieartikel gewinnen an Volumen. Dies zeigen die Ergebnisse der Studie "Quick commerce – a lasting revolution? How omnichannel retailers are rising to the challenges of q-commerce" von Roland Berger, für die über 6.000 Verbraucher aus Deutschland, Großbritannien und Frankreich befragt wurden. Die Publikation gibt Einblicke, wie Quick Commerce den Handel nachhaltig beeinflussen wird.
Quick Commerce wird vor allem in urbanen Regionen nachgefragt. 46 Prozent der Befragten wollen ihre Einkäufe künftig verstärkt auf Quick Commerce umstellen. Die Top 6 Bereiche für diese Konsumform sind laut Umfrage: Pharmazeutika (10 %), Lebensmittel (10%), Gastronomie (7%), Drogerieartikel (4%), Heimwerkerbedarf (4%) und Elektronik (4%) (s. Grafik). Die entscheidenden Faktoren für die Befragungsteilnehmer sind dabei zunächst der Preis und die Verfügbarkeit der Produkte, gefolgt von den Lieferkosten.
40 bis 47 Prozent der Befragten (je nach Produktkategorie) geben an, dass die Auswahl der Produkte im Quick Commerce bisher noch zu limitiert ist und dass viele ihrer bevorzugten Marken nicht angeboten werden. Laut der Studienautoren sind die Kunden aber weder bereit für ein breiteres Angebot noch für die Lieferkosten mehr zu zahlen. Sie erwarten daher längerfristig einen Anstieg der Lieferzeit, die dann insgesamt zwischen 30 und 60 Minuten liegen wird.
Bei spontanen und dringenden Käufen ist Quick Commerce mit 27 Prozent die erste Wahl der Konsumenten. Bei längerfristig geplanten Anschaffungen oder wiederkehrenden Einkäufen hingegen, wie etwa dem wöchentlichen Lebensmitteleinkauf, ist für 27 Prozent der Befragten die Lieferung am nächsten Tag oder sogar zwei bis drei Tage später schnell genug.
Thorsten de Boer, Partner bei Roland Berger, stellt fest: "Es ist verlockend, Quick Commerce nur als weitere Steigerung des Service-Niveaus zu sehen – als eine natürliche Entwicklung zu noch schnelleren Lieferzeiten. Es handelt sich jedoch um einen völlig neuen Kanal, mit einem eigenen, einzigartigen Geschäftsmodell. So zielt er vor allem auf spontane, zeitkritische oder emotionale Einkäufe ab. Quick Commerce fokussiert sich auf schnell-drehende Konsumgüter mit hohen Margen. Diese Form des Einkaufs wird den klassischen Online-Handel nicht ersetzen, sondern ergänzen und sogar beflügeln."
Die aktuellen Player im Quick Commerce agieren in einem konkurrenzstarken Markt. Ob die Einnahmen aus Produktmargen, Provisions- und Servicegebühren sowie In-App-Werbung die Betriebskosten decken und das Geschäftsmodell lukrativ machen können, bleibt derzeit unklar. Die Produktpreise im Quick Commerce ähneln aktuell denen im Supermarkt, das Marketing für den Markenaufbau kann in der Anfangsphase bis zu 30 Prozent der Gesamtkosten ausmachen, und die Liefergebühren decken selten die tatsächlichen Kosten.
"Nur die effizientesten Quick-Commerce-Akteure werden die kommende Marktkonsolidierung überstehen. Die anschließende Stabilisierungsphase wird den Einzelhandel jedoch nachhaltig beeinflussen. Die Akteure im Multichannel-Einzelhandel sollten ihre Angebote bereits jetzt anpassen und ihre digitalen Geschäftsmodelle ausbauen", so de Boer.
Bild / Infografik: Quick Commerce-Einkäufe in den Kategorien Pharmazeutika, Lebensmittel oder Drogerieartikel gewinnen an Bedeutung (Bildrechte: Roland Berger)

Verwandte Themen:
Handel, Handelsmarketing, Kundenservice, Service, Lieferdienst, Quick Commerce, q-commerce, Geschäftsmodell, Einkaufsverhalten, Shopper Marketing, Verkaufsförderung, Servivekonzepte, Studie, Roland Berger
Keinen Marketing-Trend mehr verpassen? marketingScout Newsletter