"Praktikumsprämien und Speed-Dating im Handwerk sind okay, kratzen aber letztlich nur an der Oberfläche. Ein Experte verrät, was wirklich gegen den Fachkräftemangel hilft …". An dieser provokanten Aussage von Marvin Flenche, Geschäftsführer der A&M Agentur fürs Handwerk sind wir vor kurzem hängen geblieben. Wirksame Recruiting-Strategien stehen bei nahezu allen Unternehmen hoch im Kurs. Oft werden jedoch nur die Best Practices der ganz großen Marken als mögliche Lösungen betrachtet. Deshalb haben wir Marvin Fleche direkt gefragt. Hier sind seine Empfehlungen für die eher mittelgroßen bis kleinen Betriebe im Handwerk. Seine Antworten sind offen, direkt und treffen so manchen Nagel auf den Kopf.
Frage 1 / marketingScout.com Redaktion*:
Lieber Marvin Flenche, Handwerker werden dringend gesucht, jeder braucht sie, keiner kann auf sie verzichten. Doch im deutschen Handwerk sucht man intensiv und flächendeckend nach Nachwuchstalenten. Wo liegt eigentlich das Problem? Was hält junge Menschen davon ab, sich für eine Ausbildung im Handwerk zu entscheiden?
Antwort / Marvin Flenche:
Zum einen ist das Handwerk nicht mehr so attraktiv, wie es einmal war – schlichtweg weil junge Menschen auch andere, oftmals ansprechendere Optionen haben. Darüber hinaus ist Geld gerade für Berufsanfänger nicht mehr das wichtigste Entscheidungskriterium. Vielmehr geht es für sie darum, sich zunächst zu entfalten und herauszufinden, worin ihre Berufung liegt. Viele von ihnen wollen nach ihrem Schulabschluss erst studieren, bevor sie sich überhaupt mit der Berufswahl beschäftigen – häufig auch auf Anraten ihrer Eltern.
Der weiterhin schlechte Ruf des Handwerks begründet sich zudem in der oftmals nicht mehr zeitgemäßen Herangehensweise. So arbeiten viele Betriebe nach wie vor äußerst "altbacken", während die jungen Leute durchaus wissen, dass es besser geht. Dass sie in dieser Hinsicht keinerlei Innovationstrieb oder Offenheit gegenüber modernen Ansätzen wahrnehmen, ist äußerst problematisch.
In der Folge bleibt der dringend benötigte Nachwuchs häufig aus, was für zusätzliche Überlastung vorhandener Arbeitskräfte sorgt und die Branche letztendlich in einem noch schlechteren Licht erscheinen lässt. Zwar gibt es durchaus Möglichkeiten, den Ruf des Handwerks zuverlässig und nachhaltig zu verbessern – viele Betriebe beteiligen sich aber nicht aktiv daran.
Frage 2 / marketingScout.com Redaktion*:
Praktikumsprämien und Speed-Dating bei Karrieremessen sind Möglichkeiten, neue Talente zu gewinnen. Diese Maßnahmen kratzen aber Ihrer Meinung nach nur an der Oberfläche. Was sind denn wirksamere Recruiting-Maßnahmen?
Antwort / Marvin Flenche:
Simpel ausgedrückt: Den Mitarbeitenden muss es Freude bereiten, ihrer täglichen Arbeit für ihre Firma nachzugehen. Einige unserer Kollegen waren vorher selbst im Handwerk tätig und berichten von teilweise miserablen Zuständen. So mussten sie beispielsweise ständig unangenehme Aufgaben übernehmen, wurden permanent von ihrem Chef kritisiert und litten durchgehend unter Stress. Zwar kann es in nahezu jeder Branche zu derartigen Missklängen kommen – doch gerade im Handwerk kommt es tendenziell häufiger zu Meinungs-Verschiedenheiten als in anderen Bereichen.
Entscheidend ist jedoch, dass alle Geschäftsführenden selbst bestimmen können, wie die Atmosphäre und das Arbeitspensum in ihrer Firma aussehen. Demnach sollte ihr Augenmerk stets darauf liegen, dass ihre Mitarbeitenden lediglich "Dienst nach Vorschrift" machen müssen – ohne ständig Zusatzaufgaben übernehmen oder an andere Verpflichtungen denken zu müssen.
Eine äußerst wirksame Recruiting-Maßnahme ist letzten Endes die Empfehlung der Mitarbeitenden, die mit ihrer aktuellen Situation zufrieden sind. Noch immer glauben viele im Handwerk Beschäftigte fälschlicherweise, sie könnten den Ruf ihrer Branche nicht beeinflussen. Das Gegenteil ist der Fall: Jeder Betrieb hat es selbst in der Hand, junge Menschen für eine Ausbildung im Handwerk zu begeistern. Die Betriebe müssen lediglich eine hervorragende Arbeitsatmosphäre schaffen, von der auch ihre bereits beschäftigten Mitarbeitenden ihren Bekannten und Freunden gerne und freiwillig berichten.
Ergänzend hierzu sollten die Betriebe möglichst sichtbar sein. Das Problem dabei ist jedoch, dass sich viele Handwerks-Unternehmen davor scheuen, Geld in neuartige Recruiting-Maßnahmen zu investieren – lieber geben sie sich mit unbesetzten Stellen zufrieden. Würden sie hingegen nach außen zeigen, dass es sie gibt und wie toll der Arbeitsalltag bei ihnen aussieht, würden längst mehr Menschen auf sie und das Handwerk im Allgemeinen aufmerksam werden.
Frage 3 / marketingScout.com Redaktion*:
Gibt es einen Tipp, mit dem man möglichst schnell Erfolge erzielen kann? D. h. womit sollte man als Handwerksbetrieb in puncto Recruiting-Optimierung anfangen – und wie sollte man langfristig weitermachen?
Antwort / Marvin Flenche:
Ein Anfang wäre es, mindestens vierteljährlich Einzelgespräche mit allen Mitarbeitenden zu führen. Dabei sollte bewusst angesprochen und erfragt werden, was diese, neben ihrem Gehalt und ihren Urlaubstagen, glücklich macht, beziehungsweise was sie sich in ihrem Arbeitsalltag wünschen. Ebenso müssen Aspekte thematisiert werden, die möglicherweise für Unzufriedenheit sorgen.
Auf dieser Grundlage gilt es, alle Abläufe zu optimieren. Im Idealfall sollte der Arbeitsalltag aller Mitarbeitenden lückenlos strukturiert sein, sodass sie immer wissen, was zu tun ist. Um alle Aufgaben reibungslos erledigen zu können, sollten immer jegliche Informationen und weiteren Grundlagen vorhanden sein. Eine solch klare Struktur lässt sich in der Regel innerhalb weniger Wochen realisieren und auch nach außen kommunizieren – in der Folge trägt dies letztlich auch zum Erfolg im Recruiting bei.
Unserer Erfahrung nach ist es durch diese Maßnahmen möglich, auch in kurzer Zeit neue Mitarbeiter:innen für den Handwerksbetrieb zu gewinnen. Wer seine Außendarstellung durch optimierte Prozesse verbessern und auch seine Reichweite maximieren möchte, kann sich gerne bei uns melden.
Herzlichen Dank an Marvin Flenche. *Die Fragen stelle Monika Monzel, Editor-in-Chief, Redaktion marketingScout.com
Bild: Marvin Flenche, Geschäftsführer der A&M Agentur fürs Handwerk (www.am-beratung.de). Ein Kernkompetenzfeld der Beratungsagentur ist es, junge Menschen für eine Ausbildung im Handwerk begeistern. Dabei setzt A&M u.a. auf eine bessere Vernetzung zwischen Handwerksbetrieben und Schulen und unterstützt Betriebe bei der Ausbildung von Nachwuchskräften.

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