Text Trends Gendern in PR und Werbung – Wirtschaftsjournalisten zeigen wenig Interesse

Grafik aus der Studie zum Thema "Gender-Texte" im Finanz- und Wirtschaftsjournalismus, durchgeführt von redRobin – Strategic Public Relations GmbH, Dezember 2022
19. Januar 2023 Autor: Redaktion MarketingScout

Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat sich klar gegen die Verwendung von Sonderzeichen, die der Genderisierung der deutschen Sprache dienen, ausgesprochen. Doch die öffentliche Diskussion um Gender-Sternchen und Co. geht weiter. Eine aktuelle Umfrage der PR-Agentur redRobin deutet darauf hin, dass speziell in Finanz- und Wirtschaftsredaktionen – bereits wieder oder noch immer – mehrheitlich auf genderisierte Texte verzichtet wird.

Der Rat für deutsche Rechtschreibung sieht keine amtliche geregelte Notwendigkeit in puncto Sonderzeichen oder anderer Formvorschriften, die der Genderisierung der deutschen Sprache dienen. Im Gegenteil: Im März 2021 hatte der Rat betont, dass die Sprache es ermöglichen solle, wesentliche Sachverhalte und Kerninformationen zu erfassen. Die Nutzung von Sonderzeichen zur Kennzeichnung verschiedener Geschlechtsidentitäten (z.B. durch Sternchen, Doppelpunkt oder Binnen-I) widerspreche dem Ziel, dass Sprache stets sachlich korrekt, verständlich, vorlesbar und auf verschiedene deutsche Sprachräume übertragbar sein solle.

Trotz dieser Stellungnahme hält die öffentliche Diskussion – und auch die Unsicherheit, was nun als politisch bzw. sachlich korrekt gilt – weiter an. Zahlreiche Unternehmen sehen deshalb die Notwendigkeit klarer Regelungen gegenüber ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Laut einer Umfrage der WirtschaftsWoche im Sommer 2022 haben bereits 64 Prozent der DAX-40-Firmen eine Mitarbeiter-Leitlinie zur Genderisierung der Sprache in der Kommunikation gegenüber Kunden, Zielgruppen und der Öffentlichkeit verfasst.

In der deutschen Bevölkerung gibt es derzeit wohl keine Mehrheit für den sprachlichen Wandel: Nach einer Umfrage von Infratest Dimap für die Welt am Sonntag von 2021 lehnen 65 Prozent der Befragten eine gegenderte Sprache ab.

Auch Finanz- und Wirtschaftsjournalisten lehnen mehrheitlich ein Gendern von PR-Texten ab. Dies legt zumindest eine im Dezember 2022 durchgeführte Online-Befragung der PR-Agentur redRobin unter 55 deutschen Redakteurinnen und Redakteuren nahe. Mit 84 Prozent (46 Teilnehmern) ist die Quote der Ablehnung hoch, d.h. 84 Prozent der befragten Journalisten wollen keine gegenderten PR-Texte erhalten. 13 Prozent (7 Teilnehmer) möchten gegenderte Texte erhalten, weitere zwei Teilnehmer überlassen diese Entscheidung alleine dem Absender.

In den Texten des eigenen Mediums gendern nach eigenen Angaben aktuell nur 5 von 55 Befragten (9 Prozent), das entspricht 19 Prozent der befragten Frauen und 6 Prozent der Männer. Bei 67 Prozent aller Redakteurinnen und Redakteure wird in den eigenen Medien nicht gegendert, weitere 20 Prozent geben an, dass geschlechtsbezogene Formulierungen derzeit von einigen Kollegen oder in einigen Texten eingesetzt werden.

Unter den Befragten, die den Geschlechtsidentitäten in der Sprache mehr Raum geben wollen, wird eine grafische Lösung (Stern, Doppelpunkt etc.) favorisiert – sechs von elf Teilnehmern präferieren diesen Weg. Vier Befragte setzen auf eine Doppelnennung wie "Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter". Den durchgehenden Einsatz von Partizip-Konstruktionen wie "Arbeitnehmende" oder "Anlegende", die ebenfalls als genderinklusive Formulierungen vorgeschlagen werden, findet nur ein einziger Teilnehmer sinnvoll.

Laut der Umfrage bleibt das generische Maskulinum auch weiterhin der klare Favorit der deutschsprachigen Finanz- und Wirtschaftspresse: Laut drei Viertel der Befragten (76 Prozent) gibt es in ihrem Medium keine Pläne, Geschlechtsidentitäten sprachlich stärker in den Vordergrund zu rücken, 13 Prozent geben an, dies sei für die Zukunft geplant.

Begleitend zur Umfrage wertete redRobin im Dezember 2022 den aktuellen Sprachgebrauch von 10 Publikationen der Finanz- und Wirtschaftspresse aus. Die Stichprobe bestätigt das Ergebnis der Befragung, dass das generische Maskulinum weiter der sprachliche Regelfall ist. Geschlechtsbezogene Formulierungen finden sich vor allem in Editorials und Kommentaren, wo "Leserinnen und Leser" oder "Anlegerinnen und Anleger" direkt angesprochen werden.

Auch Partizip-Konstruktionen werden aktuell praktisch nicht genutzt. Grafische Ansätze mit Stern oder Doppelpunkt fanden sich einzig im Handelsblatt und nur in der Rubrizierung: Hier heißt die Seite, auf der Gründer porträtiert werden, jetzt "Unternehmer:in des Tages".

Susanne Wiesemann, geschäftsführende Gesellschafterin bei redRobin, stellt fest: "Ob in der Sprache gegendert werden soll oder nicht, ist ein hoch emotionales Thema. Das merken wir nicht nur bei Gesprächen mit Kunden und Journalisten, sondern auch in den Diskussionen bei uns im Team. Wie sich Menschen zum Gendern positionieren, ist eine sehr persönliche Frage. Die Diskussion mit wertenden Begrifflichkeiten wie der sogenannten gendergerechten Sprache weiter aufzuheizen, hilft aber in der Sache nicht weiter und geht auch am Thema vorbei. Ob Unternehmen wirklich gleiche Rechte und Chancen gewähren, zeigt sich nicht vorrangig in der Sprache, sondern in der Praxis."

Wiesemann rät ihren Kunden zu einer Kommunikation, die auf den Bedarf der Zielgruppe zugeschnitten ist: "Die Finanzpresse ist keine Arena des Geschlechterkampfes und will dies auch nicht werden, das zeigt unsere Umfrage deutlich. Wer als Unternehmen hier Haltung zeigen will, kann das durch mehr Diversität bei den ausgewählten Repräsentanten tun, wie einer weiblichen CEO, einer Fondsmanagerin oder der zitierten Expertin."

"Bei der internen Kommunikation und der Ansprache potenzieller Mitarbeiter kann je nach Dialogpartner dagegen eine stärker auf Diversität und Geschlechtsidentität ausgerichtete Sprache der Unternehmen sinnvoll sein", so Wiesemann weiter.

Für die Werbebranche, so die Meinung zahlreicher Kommunikationsexperten, kann diese Empfehlung auch auf das Copywriting, d.h. die werbliche Ansprache von Kunden und Zielgruppen, ausgeweitet werden. Denn in der Werbung ist es immer wichtig, die richtige Tonality zu finden. Da es in der deutschen Bevölkerung aktuell keine einheitliche Meinung zu dem Thema "Gendern" gibt, kann der sicherste Weg in der Doppelnennung (z.B. Kundinnen und Kunden) liegen. Im direkten Zielgruppendialog ist die beste Strategie (immer noch) die namentliche Anrede. In jüngster Zeit werden dabei jedoch zunehmend (nur) Vor- und Nachnamen, ohne den Zusatz Herr / Frau, verwendet. Dies resultiert aus der Diskussion um den Anspruch jedes einzelnen Menschen, sich selbst den Status m/w/d zu geben. Im Laufe der Zeit werden sicherlich neue (informelle) Standards entstehen. Aktuell ist jedoch nicht absehbar, welche genauen Sprachregelungen sich längerfristig durchsetzen werden.

Titelbild: Grafik aus der Studie zum Thema "Gender-Texte" im Finanz- und Wirtschaftsjournalismus, durchgeführt von redRobin – Strategic Public Relations GmbH, Dezember 2022

Grafik aus der Studie zum Thema "Gender-Texte" im Finanz- und Wirtschaftsjournalismus, durchgeführt von redRobin – Strategic Public Relations GmbH, Dezember 2022
Grafik aus der Studie zum Thema "Gender-Texte" im Finanz- und Wirtschaftsjournalismus, durchgeführt von redRobin – Strategic Public Relations GmbH, Dezember 2022

Verwandte Themen:
Genderisierung, Gendern, Genderzeichen, Gendersternchen, Sprache, geschlechtsneutrale Texte, gegenderte Texte, Gendertexte, PR Texte, Copywriting, Werbetexte, Corporate Content, Content Marketing, Diversity, Chancengleichheit, Gleichberechtigung, PR, Redaktion, Pressetexte, Pressemitteilungen, redaktionelle Texte, Umfrage, Wirtschaftsmedien, Wirtschaftspresse, Wirtschaftsredaktionen

Keinen Marketing-Trend mehr verpassen? marketingScout Newsletter

Anzeige Markenfestival 2025