Seit Jahren ist das Marketing von immer schnelleren Veränderungen betroffen, die Marken-Verantwortlichen müssen agiler (re)agieren. Bislang brauchte es viel Zeit, um eine Marke stabil aufzubauen. Big Player wie Porsche oder Apple zeigen dies: sie sind glaubwürdig, relevant, verlässlich – und haben eine große Bekanntheit, die über Jahre und Jahrzehnte gebildet wurde. Doch die schnellen Veränderungen in den Märkten verkürzen die Zeit, die Marken haben, um stark zu werden und zu bleiben. Die marketingScout.com Redaktion hat Nico Klink, Marken-Experte bei der Kölner Branding-Agentur Radikant gefragt, wie ein schneller Markenaufbau heute gelingen kann.
Nico Klink, Marken-Experte bei der Kölner Branding-Agentur Radikant, im Interview mit der marketingScout.com Redaktion zum Thema "Schneller Markenaufbau & Agilität in der Markenführung".
Frage 1 (marketingScout.com Redaktion / mm*):
Lieber Nico Klink, Unternehmen haben heute immer weniger Zeit, um starke Marken aufzubauen bzw. ihre Marken stark zu halten. Welche grundlegenden Tipps haben Sie, damit dies gelingt, ohne die nötige Sorgfalt aufzugeben?
Nico Klink:
Wer Geschwindigkeit im Brand Building aufnehmen möchte, braucht zunächst einmal einen klaren Plan. Um während des laufenden Projektes keine erneuten Grundsatz-Diskussionen aufkommen zu lassen, ist es notwendig, Ziele, Workflows und Verantwortlichkeiten der Markenbildung im Voraus zu klären und alle Beteiligten umfassend zu informieren.
Während im klassischen Markenprozess Analysen, Strategie und visuelle Ausarbeitung nacheinander folgen, strebt der "Schnelle Markenaufbau" hingegen an, möglichst viele Prozesse gleichzeitig ablaufen zu lassen. Designs werden parallel zur Strategie und Datenerhebung entwickelt und durch die jeweils anderen Prozesse kontinuierlich optimiert. Dabei müssen zwangsläufig Annahmen im Prozess auch wieder verworfen und neu formuliert werden.
Eine erfolgreiche Verzahnung dieser Prozesse erfordert eine starke Projektführung, prägnante Briefings und Rebriefings sowie einen agilen Informationsaustausch. Der hohe Praxisbezug eines agileren Brand Building Prozesses gewährleistet dabei auch, dass keine Zeit und Ressourcen verschwendet werden.
Aber auch, wenn es schnell gehen soll, darf das Fundament für ein erfolgreiches Brand Building nicht vernachlässigt werden: Qualitative und quantitative Daten bilden die Grundlage jeder starken Marke. Sie zeigen, was die Zielgruppen bewegt, wie man sich von Wettbewerbern differenziert und wie Erfolgs-Wahrscheinlichkeiten maximiert werden können.
Kern des "Schnellen Markenaufbaus" (den man in der Praxis auch als "Rapid Brand Building" bezeichnet), bilden iterative Prozesse – regelmäßiges Testen und kontinuierliche Verbesserungen. Das mag zeitaufwändig erscheinen, doch das Gegenteil ist der Fall: Durch Testing werden Potenziale und Irrwege frühzeitig erkannt, das Team bleibt somit auf dem richtigen Kurs, Ressourcen können effizienter verteilt und böse Überraschungen minimiert werden. Ein enger Dialog mit den verschiedenen Stakeholdern, insbesondere auf Kundenseite, ist dabei entscheidend.
Denn: Marken entfalten ihre Wirkung erst dann, wenn sie ihre Stakeholder erreichen. Selbst der cleverste Slogan und das ansprechendste Design werden Kunden nicht zum Kauf, neue Fachkräfte nicht zu einer Bewerbung bei dem Unternehmen und Investoren nicht zum Investieren in das Unternehmen bewegen, wenn das Angebot nicht überzeugt.
Daher erfordert die Methodik der schnellen Markenbildung eine solide Vorarbeit: Recherchen, Interviews, Datenerhebungen und Tests identifizieren die Herausforderungen, Ziele und Potenziale der Stakeholder und dienen als Grundlage für die strategische, textliche und visuelle Gestaltung der Marke. Nur wer offen für verschiedene Perspektiven ist und aktiv aufmerksam zuhört, erkennt, was die Menschen wirklich interessiert – und auch, welche "Fettnäpfchen" es zu vermeiden gilt.
Frage 2 (marketingScout.com Redaktion / mm*):
Was ist aus Ihrer Sicht unverzichtbar, damit eine Marke kurz- und langfristig Erfolg haben kann?
Nico Klink:
Ein umfassendes Angebot, das sich an "alle" wendet, macht eine Marke diffus und uninteressant. Um als einzigartig und attraktiv wahrgenommen zu werden, müssen Marken klare Unterscheidungs-Merkmale zu Wettbewerbern und Zielgruppen schaffen. McDonald’s setzt zum Beispiel auf preislich günstigeres Fastfood, als auf Fine Dining, während Apple Luxusprodukte anbietet und keine Billig-Smartphones produziert. Zielgruppen- und Wettbewerbsanalysen bilden die Grundlage strategischer Überlegungen zur erfolgreichen Differenzierung im Wettbewerb. Zentral für den schnellen Markenaufbau ist das iterative Testen dieser Überlegungen. Durch Stakeholder-Befragungen und praktische Anwendung werden Potenziale schneller identifiziert und der Weg zum Erfolg wird schneller klar.
Hier kommt auch das "MVP" ins Spiel: Statt perfekte Kathedralen zu bauen, streben die agilen Methoden des Brand Buildings die stetige Entwicklung eines "Minimum Viable Products" (MVP) an. Ein für die Zielgruppen genau passendes "Tiny House" kann am Markt erfolgreicher sein als ein architektonisches Meisterwerk, das am Markt vorbei positioniert ist. Der Erfolg einer Marke basiert weniger auf umfangreichen ("starren") Strategieplänen, sondern vielmehr auf einem praktischen Testing. Wer endlos am perfekten Markenauftritt feilt, wird nie den ersten Kunden begeistern.
Hinzu kommt: Wer in der Werbung viel verspricht, aber nichts davon einlöst, verprellt nicht nur seine Kunden, sondern alle, die deren Frust via Social Media mitbekommen. Vertrauen wird langsam gewonnen, aber in Sekunden verloren. Egal, wie eine Marke entwickelt wird, ob klassisch oder mit agilen Methoden, sie muss im Kern das liefern, was sie verspricht. Wer sich für "den schnellen, agilen Markenaufbau" entscheidet, braucht Mut, Offenheit und Flexibilität – aber auch ein hohes Maß an Disziplin in den unabdingbaren Kernelementen einer Marke, die in den Sprints mitgetragen werden müssen.
Frage 3 (marketingScout.com Redaktion / mm*):
Was empfehlen Sie konkret bezüglich der Entwicklungs- und Kreativ-Prozesse? Wie geht man am besten vor?
Nico Klink:
Wer rasch den Markt erobern möchte, kann nicht auf ein perfekt definiertes Corporate Design warten. Die Zielgruppen-Touchpoints sind ständig im Wandel. Das heißt: Wer sich z.B. zu lange auf die Vorbereitung perfekter Bild-Posts für Instagram konzentriert, verpasst schnell die Chancen von Reels, TikTok und YouTube Shorts.
Design muss sich ständig an neue Medien, Funktionen und Tools anpassen. Die agilen Methoden des "Schnellen Markenaufbaus" bieten hier den perfekten Ansatz: Unter Beibehaltung weniger konstanter Gestaltungselemente, die die Wiedererkennbarkeit der Marke sicherstellen (z.B. Logo, Farbe) wird das Design iterativ an konkreten Touchpoints angewandt und optimiert. Statt starr definierter Regeln ist die Anwendung flexibel und passt sich schneller an neue Möglichkeiten an.
Dies erfordert zwar eine intensive Zusammenarbeit zwischen dem Brand Management und den Kreativen, macht Marken aber deutlich agiler und in der Gesamtwirkung moderner und attraktiver. Denn: Wer sich im Brand Design und in der Brand Personality nur traut, was monatelang perfektioniert wurde und sich nicht von den direkten Wettbewerbern absetzt, wird gar nicht erst wahrgenommen.
Zudem ist die Entwicklung einer Marke nie abgeschlossen. Marken müssen sich kontinuierlich an Marktveränderungen, gesellschaftliche Entwicklungen und neue Touchpoints anpassen. Gleichzeitig sollte die Marke im Kern aber immer wiedererkennbar bleiben. Es braucht Jahre, bis Zielgruppen verinnerlichen, wofür eine Marke steht. Das Dilemma ist: Wer jahrelang die gleichen Botschaften und das gleiche Design an den gleichen Touchpoints nutzt, wird schnell langweilig und schlimmstenfalls irrelevant. Aber wer hingegen ständig gänzlich neue Botschaften sendet, wird nicht verinnerlicht.
Die Lösung lautet: Hohe Konsistenz im Kern, maximale Agilität in der Erzählung. Die Identität mit ihren Kernattributen und Assoziationen, mit der die Menschen die Marke verbinden sollen, sollte möglichst gleich bleiben. Aber die Art, wo und wie diese Attribute erzählt werden, kann sich immer wieder an neue Möglichkeiten anpassen. So wird aus "Rapid Brand Building" schnell eine "Rapid Brand Evolution", die neue Potenziale identifiziert und ausschöpft, aber gewonnenen Wert auch pflegt und erhält.
Vielen Dank an Nico Klink für diese interessanten Erkenntnisse und Tipps zum Thema "Schneller Markenaufbau – mehr Agilität in der Markenführung."
(* Das Interview führte Monika Monzel, Editor-in-Chief, Redaktion marketingScout.com – Trendmagazin für Marketing)
Zusammenfassung:
Agilere Methoden des Brand Buildings ermöglichen eine schnelle(re) Entwicklung (bzw. Weiterentwicklung) von Marken durch iterative Prozesse und gezieltes Testing. Klare Kommunikation, datenbasierte Entscheidungen und eine starke Einbindung der Zielgruppen / Stakeholder sind entscheidend für den Erfolg. Dabei darf auch die kontinuierliche Evolution der Marke nicht außer Acht gelassen werden. Ein flexibles Design ermöglicht es Marken, in der dynamischen Welt des Brand-Buildings effektiv zu agieren.
Titelbild / Foto: Nico Klink (Copyrights: Nico Klink / Radikant ) | Collage: marketingScout.com Redaktion
Über Nico Klink:
Nico Klink ist Markenexperte und -stratege bei Radikant (www.radikant.com), Branding-Agentur mit Sitz in Köln. Als studierter Psychologe und Designer vereint Nico Klink beide Disziplinen, um Marken auffallend, attraktiv und einzigartig in den Köpfen und Herzen ihrer Zielgruppen zu verankern.
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