Im Zuge der Digitalisierung haben sich die Herausforderungen für das Marketing in den letzten Jahren stark verändert. Nicht nur bewährte Marketingstrategien stehen auf dem Prüfstand, sondern auch die Marketingorganisation muss sich den wandelnden Umfeldbedingungen anpassen. Monika Monzel, Geschäftsführerin von AdCoach (www.adcoach.de), nennt 7 nachhaltige Marketingtrends und deren Auswirkungen auf die Marketingorganisation.
Marketing Trends // 1:
Der "Connected Customer" verlangt nach vollständig integrierten Kampagnen
Potenzielle Kunden sind heute in vielen verschiedenen Kommunikations- und Vertriebskanälen unterwegs – im Kaufprozess wechseln sie ganz selbstverständlich zwischen verschiedenen digitalen und nicht-digitalen Kontaktpunkten hin und her. Echt integrierte 360-Grad-Marketing-Kampagnen bedienen nicht nur alle relevanten Kommunikationskanäle (Print – Digital – Social – Mobile), sondern auch alle Phasen der Customer Journey. Dafür ist es wichtig, dass Kampagnen & Aktionen in den Marketingabteilungen nicht mehr in abgegrenzten Funktionsbereichen (z.B. Klassische Medien, Onlinemarketing, Social Media etc.), sondern bereichsübergreifend integriert entwickelt werden. Das Überwinden von "Silo-Denken" in den Marketingabteilungen gehört zu den großen, besonders nachhaltigen Trends im Marketing.
Konsequenzen für die Marketing-Organisation: Direkt zum Start eines neuen Marketingprojektes müssen alle Funktionsbereiche an einem Tisch sitzen und gemeinsam überlegen, in welchen Kanälen und mit welchen Inhalten und Formaten der Kunde sicher durch die gesamte Customer Journey geleitet wird. Die kreative Leitidee darf nicht einfach in die verschiedenen Kanäle "gepresst", sondern muss kanalspezifisch durchdacht und umgesetzt werden. Aus der bereichsübergreifend entwickelten Kommunikationsidee ergeben sich dann i.d.R. mehrere Teilprojekte, die professionell (fachspezifisch) an die externen Dienstleister gebrieft und gemeinsam mit diesen gemanagt werden. Ein den beteiligten Fachbereichen nebengestellter Kampagnen-Manager koordiniert das Gesamtprojekt, z.B. die 360°-Kampagne. Zudem empfiehlt sich die Einrichtung eines Kompetenz-/Know-how-Centers für "Communication Strategy", das in enger Abstimmung mit den involvierten Fachbereichen sowie dem Kampagnenmanager steht und die optimale (inhaltliche, kreative, formale) Integration aller Teilprojekte sicherstellt.
Marketing Trends // 2:
Das ROPO-Phänomen* verlangt von der Industrie (noch) mehr Sell-Out-Unterstützung für den stationären (Fach-)Handel
Auf den stationären (Fach-)Handel drückt die Konkurrenz des internationalen eCommerce: Riesige Auswahl, vergleichbare Produkte, transparente Preise, Kostenvorteile, 24/7 Bestellmöglichkeiten, zusätzliche Services und vieles mehr. Der klassische Fach-Händler ist heute stärker denn je auf die Marketing-Expertise und den Support der Hersteller angewiesen. Die Frage nach dem optimalen Support des Händlers durch die Markenartikel-Industrie wird noch lange zu den großen Trends im Marketing Business gehören.
Konsequenzen für die Marketing-Organisation: Innerhalb der Marketingabteilung sollte sich ein Kompetenz-Center "Trade Marketing" oder "PoS-Marketing" um die Sell-In-Unterstützung des Außendienstes sowie die Sell-Out-Unterstützung des Händlers kümmern. Ziel der Sell-Out-Unterstützung ist es u.a., den Fachhandel gegenüber Online-Marktplätzen zu stärken. Zu den Aufgaben des Trade Marketing Managers gehört die Entwicklung von ROPO-Strategien, von Händler-Marketing-Paketen, ferner der digitale Marketing-Support, die Optimierung der Verkaufsflächen sowie die Konzeption von Marketing- und Verkaufsschulungen für den Händler. Das Trade Marketing Team hat viele Schnittstellen mit anderen Marketingdisziplinen, z.B. Digital Marketing, Event Marketing, Communication Strategy sowie mit dem Vertrieb (Außen-/Innendienst).
*Erläuterung: ROPO bezeichnet das Phänomen "Research Online – Purchase Offline" bzw. "Research Offline – Purchase Online". Beides stellt den stationären (Fach-)Handel vor neue Herausforderungen, die er in Kooperation mit der Industrie leichter bewältigen kann.
Marketing Trends // 3:
PULL-Marketing muss PUSH-Marketing dauerhaft ergänzen
Für viele Menschen beginnt der Kaufprozess nicht erst mit einem konkreten Produktbedarf, sondern mit einem (zunächst produktneutralen) Problem oder Wunsch. (Beispiel: Wie kann ich mein Kind zum Schulbeginn optimal absichern?) Dieser Moment eröffnet die Chance, den potenziellen Kunden mittels passendem Content (z.B. Ratgeberartikel, Video-Tutorials etc.) und über die Verkettung mit relevanten Produkt- und Händlerinformationen letztlich als neuen Kunden zu gewinnen. Content Marketing bleibt auch in den nächsten Jahren eines der Top-Themen unter den Marketingtrends, sollte aber nicht als reines PR-Instrument, sondern immer auch unter Sales-Gesichtspunkten geplant werden. Es ist wichtig, die Entwicklung und SEO-Optimierung von Content-Formaten nicht ausschließlich in der PR-Abteilung anzusiedeln, da hier i.d.R. der Fokus auf journalistischen Gütekriterien, nicht aber auf der Gewinnung von Leads liegt.
Konsequenzen für die Marketing-Organisation: Lead-orientiertes Content Marketing sollte innerhalb des Marketingteams und nicht ausschließlich in der Unternehmenskommunikation / PR-Abteilung verankert werden. Die Abstimmung der Themen, Inhalte, Tonality, Formate muss idealerweise in Zusammenarbeit zwischen Sales, Marketing und PR / Unternehmenskommunikation erfolgen.
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Marketing Trends // 4:
Individual Marketing und 24/7-Services brauchen (mehr) Marketing Automation
Die Zeit des Massenmarkt-Marketings ist vorbei. Kunden wollen genau die Informationen und Marketingaktionen, die zu ihren individuellen Bedürfnissen passen. Aus den Spuren, die ein Kunde in den digitalen Medien hinterlässt (aber auch aus seinen Reaktionen auf Offline-Marketing-Maßnahmen), kann man genaue Kundenprofile erstellen. Auf dieser Basis lassen sich individuell ausgesteuerte Kampagnen und Aktionen in den meisten digitalen Kanälen realisieren. Auch die Automatisierung des Kundenservices fällt in den Bereich der Marketing Automation. Chatbots sind die neuen Hoffnungsträger im Kundenservice, sofern sie reibungslos funktionieren. Auch im Loyality Marketing (= Maßnahmen zur Kundenbindung / Kundenpflege / Cross-Selling-Aktionen etc.) ist Automatisierung sinnvoll. Beispiele: Erinnerung an Wartungsintervalle für pflegeintensive Produkte, Cross-Promotions, persönliche Grüße zu bestimmten Anlässen, exklusive Einladungen zu Events, besondere Angebote nur für bestimmte Kundengruppen etc.
Konsequenzen für die Marketing-Organisation: Die Unternehmen sollten ihre CRM-Datenbanken weiter ausbauen und alle Adressbestände auf Verwertbarkeit für Marketingmaßnahmen überprüfen; kundenbezogenen Aktionen sollten lückenlos erfasst und auf Automatisierbarkeit hin geprüft werden. Eine große Herausforderung liegt in der Auswahl geeigneter Tools für die "Marketing Automation" – ein weiterer großer Marketing Trend, der die Marketing Manager/innen sicher auch noch über das Jahr 2020 hinaus beschäftigen wird.
Marketing Trends // 5:
Nicht "Leistungen", sondern die Summe positiver Markenerfahrungen entscheiden künftig über den Erfolg. In jeder Marketingabteilung sollt es jemanden geben, der sich kanalübergreifend darum kümmert.
Sachliche Produktvorteile und gute Preise sind heute nicht mehr alleine maßgeblich für den Verkaufserfolg. Austauschbare Produkte, schnelle Innovationszyklen, Nachahmung durch Wettbewerber, Preistransparenz etc. sind maßgeblich für die Tatsache, dass echte Wettbewerbsvorteile künftig vor allem über positive Markenerfahrungen erreicht werden. Positive Markenerfahrungen werden u.a. gebildet aus relevanten Botschaften, attraktiven Kommunikationsthemen, einem modernen Look & Feel, Möglichkeiten, Produkte direkt zu erleben, nützliches Hintergrundwissen über das Produkt, die Marke, den Hersteller, multisensorische Erlebnisse, geldwerte Vorteile, Exklusivität, Dialog, Nähe. Positive Markenerfahrungen kanalübergreifend zu kreieren ist die Aufgabe von "Brand Experience Managern" bzw. "Kommunikations-Architekten" – man nennt sie auch die "DaVincis" des Marketings.
Konsequenzen für die Marketing-Organisation: Man sollte darüber nachdenken die Marketingabteilung nicht nur mit Fachspezialisten für die verschiedenen Kommunikationskanäle zu besetzen, sondern auch eine Stelle einzurichten, die sich Gedanken über die verschiedenen Zielgruppen des Unternehmens, deren Wünsche und Bedürfnisse sowie Erreichbarkeit macht und die ferner damit beauftragt wird, möglichst positive, relevante Markenerfahrungen für diese Menschen zu kreieren. Die Benennung dieser Stelle(n) ist nicht einheitlich geregelt, manche nennen sie "Communication Strategy", andere "Experience Manager". Wie die Bezeichnung letztlich lautet ist egal – wichtig ist, dass die(se) Stelle(n) personell gut besetzt ist (sind) – mit Kommunikations-Profis, die sich 100% in die Zielgruppe hinein versetzen können.
Marketing Trends // 6:
Der schnelle Wandel (und Wissensverfall) im Marketing verlangt nach einer "lernenden Marketing-Organisation"
Die Erfolgsfaktoren im Marketing verändern sich stetig. Ein Beispiel ist die Flut neuer Werbeformate als Antwort auf den steigenden Werbefrust der User in den digitalen und sozialen Medien. Besonders hier mögen User keine aufdringliche Werbung. Das klassische "Bannerformat" ist fast tot, die Medienbranche arbeitet permanent an der Entwicklung neuer Werbeformate, die Adblocker überwinden und mehr Akzeptanz beim User finden, z.B. Native Ads, Sponsored Content, selbststeuerbare Werbeformate, Belohnungskonzepte, individualisierte Kampagnen im Hinblick auf persönliche User Profile, Einsatz innovativer Technologien wie Virtual Reality bzw. Augmented Reality etc.
Konsequenzen für die Marketing-Organisation: Statt klassische Funktionsbereiche komplett aufzulösen, sollte der Aufbau von Spezialwissen innerhalb des Marketingteams gefördert werden, z.B. in Form von Kompetenz-Centern, die in der Lage sind, externe Dienstleister professionell zu briefen und deren Leistung qualitativ zu bewerten. Der Verzicht auf eine tiefe Fachdisziplinen-Expertise innerhalb des Marketingteams erhöht zwar auf den ersten Blick die "Agilität" des Marketingteams, führt aber zwangsläufig zu einer großen Abhängigkeit von externen Agenturen und IT-Spezialisten. Die agilste Form einer Marketingabteilung besteht nur noch aus Projektkoordinatoren, die interne Aufträge an externe Spezialisten vergeben. Dies kann (nur) funktionieren, wenn diese Koordinatoren nicht nur Projektmanagement-Know-how aufbauen, sondern sich auch stetig konzeptionell auf dem Laufenden halten (neue Trends, Best Practices, Erfolgsbeispiele etc.). Dabei darf man sich nicht nur auf digitales Marketing-Know-how konzentrieren. Der 100%ige "digitale Kunde" entspricht in vielen Märkten nicht der Realität. Viele Endverbraucher wünschen sich weiterhin persönliche Kontakte und "echte" Erlebnisse (vgl. Apple Experience Stores). Hieran werden auch ausgefeilte VR-/AR-Technologien sowie Automatisierungstools bis 2020 nichts ändern. Erfolgreiche Marketingkonzepte müssen auch weiterhin von der "realen Welt" ausgehend gedacht werden.
Marketing Trends // 7:
Smarte Produkte erfordern eine sehr enge Zusammenarbeit zwischen Marketing und IT
Laut Expertenmeinungen werden bis 2020 ca. 50 Milliarden Geräte digital vernetzt sein. Smarte Produkte sind der Marketing Trend mit dem wohl größten Marktpotenzial. Es handelt sich dabei z.B. um Maschinen oder Werkzeuge, die mit Sensoren ausgestattet und über das Internet vernetzt werden. Diese "vernetzten Dinge" liefern dann marketingrelevante Informationen, die in Big Data Factories gesammelt und von Data Scientists (= Menschen, die aus Daten Wissen extrahieren, z.B. mittels Multimedia Analytics, Social Media Analytics etc.) ausgewertet werden. Basierend auf diesen Analysen werden innovative Angebote kreiert, Aktionen entwickelt, der Kundenservice ausgebaut oder Prozesse optimiert. Um smarte Lösungen zu kreieren, braucht es 1) Systeme, die Daten verfügbar machen, 2) intelligente Auswertungsprogramme, die dabei helfen, die Daten zu interpretieren sowie 3) Menschen, die hieraus marketing- und managementrelevantes Wissen generieren können.
Konsequenzen für die Marketing-Organisation: Da es sich bei IOT nicht um einen kurzlebigen Marketingtrend handelt, sollte die technologische Kompetenz zur Entwicklung smarter Produktkonzepte dauerhaft in einer Stelle für IOT (Internet of things) implementiert werden. Denkbar ist eine Ansiedlung im Business Development, im Produktmarketing, aber auch auf Ebene der Unternehmens-IT. Wichtiger als die Frage der Einordnung in die Unternehmenshierarchie ist die enge Zusammenarbeit zwischen den genannten Bereichen. Insbesondere müssen die Produktentwickler bereits frühzeitig mit dem Digital Marketing (insb. mit dem "Data Scientist") kooperieren, damit die über die "smarten Produkte" generierten Daten später für Marketingaktionen genutzt werden können.
Gastbeitrag von:
Monika Monzel, Diplom-Kauffrau, Geschäftsführende Gesellschafterin von AdCoach, Marketing Consulting & Academy (www.adcoach.de)
Beitragsbild: fotolia.com
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