Warum engagiert sich eine Full-Service Marketing-Agentur für mehr Nachhaltigkeit und den Klimaschutz, verzichtet dann aber auf ihr offizielles "klimaneutral"-Siegel? Die marketingScout.com Redaktion hat Sören Mohr, CEO der Kieler Agentur New Communication, befragt, was ihn und sein Team dazu bewogen hat. Die Antworten liefern interessante Insights über gelebte Nachhaltigkeit im Agentur-Business.
Mit Nachhaltigkeit und Klimaschutz ist das im Agentur-Business so eine Sache. Die Bedeutung wächst, es gibt viele Ansatzpunkte, aber auch zunehmende Bürokratie, wenn es um offizielle Zertifizierungen geht. Schon lange ist das Geschäft mit Zertifizierungen ein signifikanter Umsatzbringer für offizielle Zertifizierungsstellen, auch wenn diese zum Teil als Non-Profit-Organisationen deklariert sind. (Schließlich werden auch hier, je nach Organisation, mehr oder weniger signifikante Gehälter gezahlt.) Um als Unternehmen eine Zertifizierung zu erhalten, muss man in der Regel einiges an Geld investieren und einen zum Teil sehr bürokratischen Prozess durchlaufen. Dies liegt in der Natur der Sache und ist für sich genommen auch weitestgehend in Ordnung.
Wer sich als Unternehmen jedoch nicht offiziell zertifizieren lässt, sich trotzdem engagiert, und dies dann (aus den unterschiedlichsten Gründen) auch kommunizieren möchte, ist nicht selten einer massiven Greenwashing Kritik ausgesetzt. Dabei könnten die CSR- Aktiviäten von engagierten Unternehmen wiederum anderen Unternehmen Motivation liefern, sich mehr zu engagieren.
Wir haben uns in der marketingScout.com Redaktion schon oft gefragt, ob die Kombination aus kostenintensiven, bürokratischen Zertifizierungsprozessen einerseits und Abmahnungsrisiken anderseits intensiveren CSR-Bestrebungen auf Unternehmens- und Agenturseite im Wege steht. Würden Unternehmen, speziell auch mittelgroße Unternehmen und Agenturen, mehr in Nachhaltigkeit investieren, wenn es Lösungen für das oben beschriebene Dilemma gäbe?
Einen pragmatischen, überzeugenden Weg hat die Kieler Agentur New Communication für sich gefunden. Sie hat jüngst auf das offizielle Klimaneutral-Siegel verzichtet, engagiert sich aber weiter intensiv für Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Zwar ist die Agentur gerade frisch testiert worden, aber nicht mehr als "klimaneutrales" Unternehmen – und das trotz pro Kopf weiter geschrumpftem CO2-Footprint. Laut New Communication CEO Sören Mohr hat das viel mit dem Pariser Klimaabkommen zu tun – und mit der Verbundenheit zur eigenen Region.
2020 wurde New Communication von der Stiftung myclimate als klimaneutral zertifiziert. In 2023 wird das bekannte Label nicht mehr Teil der Agentur-Kommunikation sein. Die Gründe dafür erklärt Sören Mohr in einem Interview mit der marketingScout.com Redaktion.
Vorab erläutert Sören Mohr: "Statt des Klimaneutral-Labels verwenden wir in der Kommunikation nun schlicht das MoorFutures-Logo. Von dem Projekt, seinem Nutzen und seiner Wirksamkeit sind wir absolut überzeugt. Moore spielen eine enorm wichtige Rolle für die Umwelt und ein intaktes Klima, ihre Wiedervernässung ist also eine hochwirksame Maßnahme für den Klimaschutz. Und es ist ein regionales Projekt, hier bei uns in Schleswig-Holstein."
Da das Thema Nachhaltigkeit in Agenturen eine immer wichtigere Rolle spielt, hat die marketingScout.com Redaktion Sören Mohr zu den wichtigsten Herausforderungen auf dem Weg zur 'Nachhaltigen" bzw. 'Klimafreundlichen' Agentur befragt. Hier sind die interessanten Antworten.
Frage 1 / marketingScout.com Redaktion*:
Lieber Herr Mohr, was sind bzw. waren für Sie und Ihr Agenturteam die zwei bis drei größten Herausforderung auf dem Weg zur "klimafreundlichen" Agentur, unabhängig von dem Erhalt des offiziellen "Klimaneutral"-Siegels?
Sören Mohr, New Communication:
Die erste Herausforderung war es, den Status Quo festzustellen. Eine substanzielle Bestandsaufnahme aller CO2-Parameter zu machen. Dabei haben wir auf Klimarechner zurückgegriffen und ein hierfür eigenes Controlling-System aufgebaut. Als nächstes mussten wir Quick Wins realisieren. Es gibt zahlreiche Bereiche, zum Beispiel die Umstellung auf Ökostrom, die schnell einen größeren CO2-Impact haben. Das sind wir auch sehr schnell angegangen. Eine weitere Challenge war es, das Team mitzunehmen. Viele Veränderungen sind aber auch eine Gemeinschaftsaufgabe aller: nach Möglichkeit mit dem Fahrrad oder ÖPNV zur Arbeit kommen, Remote arbeiten, auf Energieverbrauch achten, Flugverbot für berufliche Meetings, öfter auf vegetarische Mahlzeiten zurückgreifen, etc.
Frage 2 / marketingScout.com Redaktion*:
Ihre Agentur ist ja nun nicht mehr offiziell "klimaneutral". Welche Auswirkungen hat das für die Agentur? Ist das überhaupt für Kund:innen und ggf. auch neue Mitarbeiter:innen bedeutsam?
Sören Mohr, New Communication:
Wir bezeichnen uns nicht mehr als klimaneutral, da wir nie sehr glücklich mit dieser Beschreibung gewesen sind. Solange wir einen CO2-Fußabdruck hinterlassen, agieren wir ja nicht neutral. Wir sorgen dafür, dass unser Fußandruck an anderer Stelle, in unserem Falle durch MoorFutures, ausgeglichen wird. Hinzu kommt, dass die Rechtsprechung immer häufiger die Bezeichnung "klimaneutral" verbietet. Kürzlich hat das Landgericht Karlsruhe der Drogeriemarktkette dm untersagt, Produkte mit dem Label "klimaneutral" oder "umweltneutral" zu vermarkten. Abgesehen davon merken wir schon bei Anfragen und Bewerbungen, dass unsere Haltung zum Thema Nachhaltigkeit gut ankommt. Das ist aber nicht unmittelbar an das Label "klimaneutral" gebunden. Viel mehr zeigen wir durch diverse Aktionen und Projekte, das Nachhaltigkeit bei uns über das bloße Ausgleichen des CO2-Fußabdrucks hinausgeht.
marketingScout.com Redaktion*:
Vielen Dank, Herr Mohr, für die spannenden Insights und Hintergrundinformationen.
*Die Fragen stellte Monika Monzel, Editor-in-Chief, Redaktion marketingScout.com. E: redaktion@marketingScout.com.
Über New Communication
New Communication ist eine führende und mehrfach ausgezeichnete Werbe- und Marketingagentur in Schleswig-Holstein. Zuletzt wurde die Kieler Agentur als exzellente Wissensorganisation 2018 und mit dem Top Job Siegel 2019 und 2022 für herausragende Arbeitgeberqualitäten ausgezeichnet.
Titelbild: New Communication CEO Sören Mohr ist in Sachen pragmatischem, regionalem Klimaschutz überzeugt von MoorFuture. Moore sind typisch für Schleswig-Holstein und bieten Tieren und Pflanzen wichtigen Lebensraum. (Foto: Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein / Koenigsmoor 2020)
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